(Pressemitteilung des Caritasverbandes für das Bistum Dresden-Meißen e.V. vom 15.11.2024)
Freundlich, etwas zurückhaltend empfängt er seinen Besucher. Blickt man aus dem Fenster, schaut man ins Grüne. Der Herbst zeigt seine Farben. Franz Schmidt* lebt in einer kleinen, bescheidenen Zwei-Raum-Wohnung in Bautzen. Das Leben des 76-jährigen Rentners ist geprägt von Verlust, Einsamkeit und finanziellen Sorgen. Doch Franz Schmidt ist nicht der Typ, der jammert und wehleidig ist, denn es gab auch bessere Zeiten. Trotzdem will er seinen richtigen Namen nirgendwo lesen. Zu groß ist die Scham für die Situation, in der er sich befindet.
Ein Leben voller Herausforderungen
Geboren im früheren West-Berlin, hat er in seinem Leben viel erlebt. Als ehemaliger Postbeamter und späterer Handelsvertreter war er beruflich stets engagiert und voller Tatendrang. Franz Schmidt war stolz auf seine Erfolge "Ich habe immer hart gearbeitet, um für meine Familie zu sorgen", erzählt er. Doch die Jahre der Arbeit haben nicht ausgereicht, um ihm im Alter ein sorgenfreies Leben zu ermöglichen. Hinzu kamen Schicksalsschläge. Eine Wohnung, die als Altersitz geplant war und die er von einem Betrüger kaufte, hat nicht existiert. Das Geld dafür bekam er nie zurück.
Heute lebt Franz Schmidt von einer Rente, die kaum zum Leben reicht. Er ist zudem auf Sozialhilfe angewiesen. "Aufstocker" bezeichnet man diese Betroffenen in Deutschland. "Die Kosten für Medikamente und die private Krankenversicherung belasten mich enorm", erklärt er. "Ich kann mir eigentlich nicht leisten, krank zu sein", sagt er mit einem bitteren Lächeln. Hinzu kommt die Einsamkeit, unter der er leidet. Deshalb ist er dankbar, dass er sich mit einer Nachbarin anfreunden konnte. Manchmal sitzen sie zusammen, trinken Kaffee und unterhalten sich über Gott und die Welt.
Armut hat viele Gesichter
Die Sozialarbeiterin Manja Döcke ist seit 2019 in der Allgemeinen sozialen Beratung des Caritasverbandes Oberlausitz in Bautzen tätig. "Der Beratungsbedarf hier ist enorm", berichtet sie. "Es kommen Menschen zu uns, die oft Unterstützung für den täglichen Bedarf suchen - sei es für Möbel, bei der Überwindung von Energie- oder Mietschulden oder bei der Kommunikation mit den Behörden."
Die Klientel, die an ihre Tür klopft, sei vielfältig. Besonders betroffen sind Alleinerziehende, Familien mit Kindern oder ältere Menschen. Doch nicht nur sie kämpfen gegen die Armut - zunehmend wenden sich auch Menschen im mittleren Alter an die Caritas. "Viele sind durch Jobverlust oder gesundheitliche Probleme in die Armut gerutscht", erklärt sie.
Gesellschaft wird dem Phänomen Armut nicht gerecht
Ein gesellschaftliches Problem: Die Stigmatisierung von Menschen, die auf Hilfe angewiesen sind. "Oft entsteht der Eindruck, dass arme Menschen faul sind und nicht arbeiten wollen", schildert Frau Döcke. "Diese Vorurteile sind nicht nur ungerecht, sondern hinderlich für diejenigen, die wirklich in Not sind." Die Realität sieht häufig anders aus: Viele Ratsuchenden haben hart gearbeitet, sind aber durch unvorhergesehene Lebensumstände in eine missliche Lage geraten. "Ich kennen niemanden, der freiwillig faulenzt." Einige Klienten beklagen auch eine zunehmende Bürokratie, zum Beispiel beim Bildungs- und Teilhabepaket. Manja Döcke: "Wenn eine alleinerziehende Mutter mehrere Anträge bei verschiedenen Behörden stellen muss, um die Leistungen zu bekommen, ist sie völlig überfordert. Deshalb verzichten Betroffene auf ihre Ansprüche." Die Gesellschaft werde dem Phänomen der Armut nicht wirklich gerecht.
Die Caritas reagiert auf diese Herausforderungen, indem sie sich vor Ort vernetzt und Hilfen anbietet. "Wir haben zahlreiche Initiativen ins Leben gerufen, um den Menschen zu helfen", erklärt Manja Döcke. Dazu gehört unter anderem eine Kontaktstelle Nachbarschaftshilfe, die es den Bürgern ermöglicht, sich gegenseitig zu unterstützen. Dieses Projekt wird auch vom Landkreis Bautzen gefördert. Zudem wurde das Projekt "Weihnachten nicht allein" ins Leben gerufen, eine Aktion, die den Zusammenhalt fördert und Menschen an den Festtagen nicht allein lässt. Auch Franz Schmidt nutzt dieses Angebot, auch in diesem Jahr.
Andreas Schuppert
*Der Name wurde auf Wunsch des Betroffenen geändert
Stichwort: Welttag der Armen:
Seit 2017 findet jedes Jahr im November der "Welttag der Armen" statt. Papst Franziskus hatte diesen Tag damals zum Abschluss des "außerordentlichen Heiligen Jahres der Barmherzigkeit" eingesetzt. Er soll jeweils am 33. Sonntag im Jahreskreis (zwei Sonntage vor dem 1. Advent) begangen werden und das Christ-König-Fest vorbereiten. Im Mittelpunkt des Tages steht die "pastorale Option für die Armen", die Papst Franziskus der Weltkirche ans Herz legt. Dies bedeutet, dass alle sich vorrangig für die arm Gemachten und Ausgegrenzten dieser Welt einsetzen sollen. Gemeinden, Diözesen, Verbände und Organisationen sind eingeladen, den Welttag der Armen in besonderer Weise zu gestalten.
Quelle: https://www.welttagderarmen.de/welttag-der-armen/