Ines Wiertellok (rechts) managt Eingang und Ausgang der Waren und die Möbelträger.
Von Karin Großmann (Artikel der Sächsischen Zeitung vom 12.12.2023):
Bei "Ritas Möbel" gibt es Möbel. Aber keine Rita. Die gab es dort nie. Die vier Buchstaben sind geborgt vom Wort Caritas. Der Verein betreibt das kleine Kaufhaus im Bautzener Stadtteil Gesundbrunnen. Der Frauenname klingt freundlicher und nicht sofort nach Bedürftigkeit. Der Laden sieht auch nicht danach aus. Eher nach Wohlfühlen und Zuhause. In den Anbauwänden funkelt hier und da eine gläserne Vase. Kissen kuscheln sich in die Sofaecken. Die Tische sind mit Papiersternen dekoriert. Liotards Schokoladenmädchen wirkt zwar schon etwas ausgebleicht, aber es kostet nur 15 Euro. Mit Rahmen. Das Sprichwort vom geschenkten Gaul würde nicht zu dem Servierfräulein passen.
Die Schränke, Stühle, Liegen und all die anderen Sachen bei "Ritas Möbel" wurden gespendet. Sie werden für wenig Geld weitergereicht an Menschen, die darauf angewiesen sind: an die Empfänger von Bürgergeld, kleinen Renten oder schmalem Lohn. Wie bei der Tafel müssen sie einen Einkommensnachweis mitbringen. Viele Kunden kommen regelmäßig vorbei. Hier gibt es jeden Tag etwas Neues. Die Sesselgruppe aus braunem Leder gilt nach vier Wochen bereits als Ladenhüter. Für ein Eckschränkchen wird noch die passende Ecke gesucht. Die CD-Ständer sind gut gefüllt. Nicht nur Zillertaler Musikanten hoffen auf Interesse.
Ines Wiertellok koordiniert Eingang und Ausgang der Waren und die Helfer. Sie werden meist für ein halbes Jahr vermittelt vom Arbeitsamt. Bei kleineren Reparaturen greifen sie zu. Zwei Männer tragen ein Bettgestell mit Matratze und einige Schrankteile vor die Tür zum Transporter. Manche Tour geht quer durch die Oberlausitz bis Löbau, Wittichenau oder Kamenz. Dann wäre es gut, wenn der Wagen bei der Rückfahrt neue Spenden mitbringen würde.
Die Chefin erzählt von einem Mann, der Fotos von seiner Kücheneinrichtung schicken wollte. "Da habe ich mit ihm gleich noch einen Crashkurs fürs Handy gemacht." Küchen sind begehrt, Kühlschränke und Waschmaschinen besonders. Die Abholung kostet nichts. Wenn jemand ins Altersheim zieht oder die Wohnung wechselt, bleiben oft Möbel und Hausrat übrig. "Wir sind aber kein Entsorgungsunternehmen und keine Resterampe", sagt Ines Wiertellok. "Wir nehmen das, was wir selbst kaufen würden. Denn auch wer bedürftig ist, will mit der Mode mitgehen."
Das sei manchmal schwer zu vermitteln. Gerade Ältere, die ihren Wohnzimmerschrank ein Leben lang pflegten, können nicht verstehen, dass Gelsenkirchener Barock heute kaum Freunde findet.
Spenden einzuholen, ist eine Kunst. Es ist auch eine Kunst, Spenden abzulehnen. "Die sollen doch froh sein, wenn sie überhaupt was kriegen!" Solche Sprüche höre sie gelegentlich auch, erzählt Ines Wiertellok. "Da fragt man sich schon, was für ein Menschenbild manche Leute haben", sagt Manja Döcke, Sozialarbeiterin und -pädagogin bei der Oberlausitzer Caritas.
Die Stiftung Lichtblick unterstützt den Verein seit Langem. "Fast jeder unserer Anträge wird erfüllt, das ist wirklich toll." Die Caritas feierte kürzlich ihr dreißigjähriges Bestehen in der Region. Sie kümmert sich um ambulante Jugendhilfe, Schwangerschaftsberatung und Schuldnerberatung, betreibt eigene Kinderhäuser, Begegnungsstätten, Sozialstationen und ein Altenpflegeheim. "Der Möbeldienst ist ein kleines Rädchen von vielen, aber ein wichtiges", sagt Manja Döcke. "Für uns ist es oft der erste Zugang zu Menschen, die Hilfe brauchen."
So können auch Sie Menschen in Not helfen
- Die Stiftung Lichtblick hilft in Not geratenen Menschen in unserer Region, die keine andere Unterstützung finden.
- Die Spenden können Sie online überweisen: www.lichtblick-sachsen.de/jetztspenden
- Der Überweisungsbeleg gilt bis 300 Euro als Spendenquittung. Für größere Überweisungen senden wir bei Angabe einer Adresse eine Quittung.
- Hilfesuchende wenden sich bitte an Sozialeinrichtungen ihrer Region wie Diakonie, Caritas, DRK, Volkssolidarität, Jugend- und Sozialämter.
- Erreichbar ist Lichtblick telefonisch dienstags und donnerstags von 10 bis 15 Uhr unter 0351/4864 2846, Lichtblick@ddv-mediengruppe.de; Stiftung Lichtblick, 01055 Dresden. Mehr Informationen: www.lichtblick-sachsen.de
- Konto-Nummer: Ostsächsische Sparkasse Dresden, BIC: OSDDDE81, IBAN: DE88 8505 0300 3120 0017 74
Ihr Kollege David Koberstein steht deshalb zweimal die Woche ein paar Stunden im Laden. Zwischen Küchenstühlen und Regalbrettern kommt man leicht ins Gespräch. "Die Schwelle ist niedriger als bei einer Behörde", sagt er, "und beim Blick auf den Einkommensnachweis frag ich schon mal, ob ein Wohngeldantrag gestellt wurde. Manche trauen sich nicht, scheuen den Papierkram oder wollen nicht um Hilfe bitten." Bloß nicht zur Last fallen. Das hört er häufig. Koberstein begleitet auch die Mitarbeiter bei "Ritas Möbel". Mittwochs, am Schließtag, treffen sich alle zum Reden. Einmal im Monat gehen sie wandern, "um gemeinsam etwas Schönes zu erleben". Mancher Helfer muss die Selbstverständlichkeiten des Alltags erst wieder lernen. Selten schafft es einer zurück in den ersten Arbeitsmarkt. "Wir haben Leute, die können zupacken, sie sind praktisch begabt und loyal", sagt Manja Döcke, "aber sie bekommen einfach keine Chance."
Eine füllige ältere Blondine streift mit Kennerblick die Regale voller Gläser, Teller und Tassen. Jedes DDR-Museum wäre auf die Kannenkollektion stolz. Über das Schicksal von Bowle-Spießchen in einer ungeöffneten Verpackung könnte man lange grübeln. Die Blondine erzählt, dass sie drei Kilo abgenommen hat und was es sonst zu erzählen gibt. Das kleine Kaufhaus am Rand der Fußgängerzone ist auch ein sozialer Ort, ein Ort gegen die Einsamkeit. Wenn Ines Wiertellok die Tür abschließt und nach Hause geht, wird sie manchmal gegrüßt: Hallo, Rita! Sie überlegt jetzt, sagt sie lächelnd, ob sie sich Rita nicht als Künstlernamen in den Ausweis eintragen lassen sollte.